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Ein toller Abend – leider zu kurz…

Ich hatte von meiner Freundin Uschi von den monatlichen GWHF-Treffen gehört. Leider passten die Termine nicht in            meinen Terminkalender. Bis zu diesem Freitag. Ich hatte mich drei Tage lang vorbereitet, vor    allem bei meiner Kosmetikerin.

Alles war bereit und ich fuhr los, indem ich das Navigationsgerät im Auto auf das Restaurant Al Ponte einstellte. Ich war super froh, dass ich so früh dran war und freute mich auf das Kennenlernen von vielen  Gleichgesinnten. Als ich aber beim Restaurant ankam, war die Tür geschlossen und niemand kannte die GWHF-Community.

Als echte Blondine hatte ich den falschen Vorschlag des Navigators gewählt… das richtige          Restaurant war auf Platz 3 der Liste :(((

Schliesslich kam ich nach viel Stress am richtigen Ort an, um diesen wunderbaren Abend mit meinen Freundinnen Sarah und Gloria (Instagram-Freundinnen) zu geniessen und neue Bekanntschaften zu machen.

Auch an der Kleiderbörse habe ich teilgenommen und    breitete eine Auswahl meiner umfangreichen Schuhsammlung aus. Leider fanden sich wegen der Schuhgrösse keine Abnehmerinnen.
Viel zu schnell verging die Zeit und so machte ich mich schliesslich mit meinen 12 Paar Schuhen auf den Heimweg – diesmal ohne Umwege. Glücklich und zufrieden liess ich unterwegs den Abend nochmals Revue passieren.

Ein grosses Dankeschön an alle für den herzlichen Empfang, für die interessanten Gespräche und den talentierten Fotografen Stephan für seine schönen Bilder.
Ich hoffe sehr, bald wieder an einem Treffen teilnehmen zu können.

Viele Küsse an alle
Géraldine aus Zürich

Endlich hat es mal geklappt

Aus verschiedenen Kreisen habe ich vom GWHF gehört und ich wollte unbedingt einmal hingehen. Doch meine derzeitige
Lebenslage ist so, dass ich am Freitag und Samstag keine Zeit
habe für einen solchen Anlass. Doch am 1.10.2022 bot sich eine Gelegenheit an. Ich wusste es würde knapp werden, darum
fragte ich nach, ob ich ein bisschen später als 19 Uhr eintreffen könne. Ja, es war möglich. Uff , Glück gehabt.

Um 17:30 Uhr war ich endlich zu Hause, aber ich stand noch
ungestylt da. Ohhweia Melinda Superchaotin. Jetzt schnell Body fit machen, schminken und Kleider zusammenstellen. Kurz
gesagt, um 19 Uhr bin ich dann von zu Hause abgefahren und um 19:45 Uhr im Hotel eingetroffen. Ich ging zur Rezeption und fragte nach dem GWHF-Treffen.

Ja, das findet hinten im Saal statt und man führte mich dorthin. Alle sassen schon am Tisch und waren bereits am Essen. Oh mein Gott Melinda! Was hast du mir nur eingebrockt. Welch peinliche Situation! Alle sind schon am Essen und du platzt einfach mitten in eine Veranstaltung mit dir unbekannten Leuten rein. Es wurde mir so peinlich, dass ich umkehren und wieder gehen wollte.

Schliesslich, nach einem kleinen Hin und Her, fand ich doch einen Platz neben sehr aufgestellten Leuten, die mich zum Bleiben überzeugt hatten. Das Essen war super. Die Gespräche waren
interessant. Es machte auch nichts, dass ich kein Dirndl anhatte, obwohl das Motto Oktoberfest war. Irgendwie passt ein Dirndl nicht zu Melinda. Und als Melinda möchte ich mich wirklich durchsetzen und keine Kompromisse eingehen.

Wir hatten es sehr lustig an unserem Tisch. Ich staunte über die hübschen Ladies, die anwesend waren. Eine hübscher als die andere und jede hatte ihren eigenen Style, ihre eigenen Eigenschaften. Jede war speziell. Ich erfuhr einiges über die Personen, die mit mir am selben Tisch sassen. Vorne bei der Lounge konnte ich noch weitere Ladies kennenlernen und mich austauschen. Am Ende waren wir noch kurz an der Bar. Alles in allem war es ein sehr gelungener Abend.

Es ist toll, dass es so eine Möglichkeit gibt, Gleichgesinnte zu treffen. Ich schätze die Arbeit der Organisatorinnen sehr. Das Treffen hat mir sehr gefallen. Ich hoffe, dass ich bald wieder einmal dabei sein kann und dann auch pünktlich sein
werde.

Liebe Grüsse
Melinda

Ein wunderbarer Abend


Stephans persönliche Führung durch Bern

Mein Name ist Miranda Cruz. Ich war schon zu Urzeiten bei GWHF und habe schon einige Veränderungen  miterlebt. Manche Girls kennen mich
vielleicht auch von meiner ehemaligen Webseite.

Bei GWHF ist Stephan bekannt als Haus- und Hoffotograf. Das Fotoshooting mit ihm war längst überfällig. Da ich bei Verabredungen zur Prokrastination neige, musste ich mich zwingen, mich mit ihm zu verabreden. Heute, am 31.8.2022 war es so weit. Ich hatte schlecht geschlafen. Nicht weil ich als Transvestit eine fremde Stadt besuchen wollte. Auch nicht weil ich erwartete, vielen Menschen zu begegnen. Sondern wegen des Wetters und der langen Fahrt. Aber ich schaffte es (hin und zurück).

Auf dem Weg nach Bern regnete es zeitweise stark. Ich war dennoch zuversichtlich, dass es am Nachmittag trocken werden würde. Wir hatten Glück. Es wurde nicht nur trocken, die Wolken verzogen sich grösstenteils. Es wurde sonnig und warm.

Ich holte Stephan ab und wir fuhren zum Rosengarten, den er mir unbedingt zeigen wollte. Ich freute mich auf eine farbenfrohe Umgebung mit vielen Blumen. Das war erst der Anfang und es wurde immer besser.
Vom Rosengarten hatten wir eine wunderschöne Aussicht auf die Berner Altstadt und die Aare. Blumen – nicht nur Rosen – gab es in Hülle und Fülle, wie man sieht.

Es hatte sehr viele Leute – hauptsächlich Touristen – und alle fotografierten sich gegenseitig vor der fantastischen Aussicht oder machten Selfies. Wir schafften es trotzdem, dass uns nicht allzu viele ins Bild liefen.

Natürlich wurde ich häufig genauer gemustert. Damit hatte ich gerechnet, darauf hatte ich mich gefreut. Ich schenkte diesen Leuten jeweils ein Lächeln und beobachtete ihre Reaktionen.

Der Seerosenteich mit den beiden Statuen gefiel mir besonders gut. Dort posierte ich für sehr viele Fotos, bis es mir in der prallen Sonne zu warm wurde. Allerdings blieb mir kaum Zeit zum Abkühlen, denn auch bei den Rosen posierte ich wieder in der Sonne. Am Abend entdeckte ich die deutliche Bräunung auf meinen Armen. Zum Glück war es kein Sonnenbrand.

Da ich mich in Bern nicht auskannte, überliess ich Stephan die Führung. Sein nächstes Ziel war das Blue Cat – das Stammlokal der Berner GWHF-Girls. Dort liessen wir uns im Schatten nieder und genossen ein kühles Getränk.

Wir wollten noch einige Sehenswürdigkeiten besichtigen. Ich ahnte nicht, was das für ein Gewaltmarsch werden würde. Ich war seit Jahren nicht mehr weit gelaufen mit High Heels. Aber eine Frau beklagt sich nicht, nie!

Wir spazierten durch die Lauben, das heisst, ich stöckelte so schnell es ging hinter Stephan her. Ab und zu erhaschte ich einen Blick in eines der Schaufenster. Aber meist achtete ich darauf, Stephan nicht zu verlieren.
Stephan führte mich über das Münsterplateau zum Münster. Wir schauten kurz hinein. Die grossen ‚Fotografieren verboten‘-Schilder schreckten mich ab. Darum blieb ich nicht lange.

Der anschliessende Weg führte uns über die ‚Ochseschüür‘ zur Bundesterrasse. Mittlerweile war die Zeit fortgeschritten. Ich dachte immer öfter an ein Mittagessen; es war schon nach Mittag. Ich sagte Stephan, dass ich ihn einladen würde.

Stephan wusste, wo es Restaurants gab. Ich vertraute ihm und liess mich auf einen weiten Weg ein. Es bestand immerhin die Chance auf weitere Fotos an sehenswerten Orten.

Bevor wir in die Nähe eines Restaurants kamen, erreichten wir die Kleine Schanze, wo das Weltpostdenkmal stand. Ich suchte eine gute Position und warf mich zum dreihundertsten Mal in Pose.

Ich sagte zu Stephan, er solle warten mit fotografieren, bis ich den Bauch eingezogen habe. Als er das Foto kontrollierte, sagte er, dass ich Falten hätte. Ich lachte und antwortete: ‚Nicht nur dort.‘

Als wir dann bei den Restaurants waren, schaute ich mir die ausgehängten Speisekarten an. Ich wollte ein Schnitzel mit Pommes Frites. Das war ideal, weil ich mich damit nicht bekleckern konnte. Leider gab es dort keine Schnitzel.
Zum Glück kannte Stephan ein Restaurant, wo es auch um diese Zeit Schnitzel gab. Er führte mich zum Coop-Restaurant. Wir waren die einzigen, die etwas Warmes essen wollten und mussten stehend warten, bis unsere Schnitzel zubereitet waren. Derweil brannten meine Füsse.
Endlich konnten wir sitzen und den Hunger stillen. So wie ich hatte auch Stephan heute noch nichts gegessen. Sitzend liess nach einiger Zeit auch der Schmerz in meinen Füssen nach.
Wir zogen das Essen in die Länge und blieben länger sitzen als nötig. Denn ich wollte nicht in den abendlichen Stossverkehr geraten.

Auf dem Rückweg machten wir nicht mehr so viele Fotos. Zum einen hatte es einige Baustellen, zum anderen war es schwierig, die hohen Gebäude und mich auf ein einziges Foto zu bannen.

Meiner Eitelkeit, auf einer Stadtbesichtigung High Heels zu tragen, schuldete ich diverse Wadenkrämpfe. Natürlich liess ich mir nichts anmerken. Ich sagte nur: ‚Ich mag nicht mehr so weit laufen.‘

Wir spazierten zum Auto und ich brachte Stephan nach Hause. Zum Dank für seine grossartige Arbeit gab ich ihm 50 Franken, obwohl er nichts von mir verlangte.

Bern hat mir sehr gut gefallen. Ich werde trotz allem auch bei meiner nächsten Stadtbesichtigung High Heels tragen und es nur so lange bereuen, bis ich die Fotos sehe. Denn die waren den ganzen Aufwand, die Mühe und alle Schmerzen wert.

Stephans Webseite

Stephan ist ein leidenschaftlicher Fotograf. Für ein Fotoshooting bietet er seine Dienste auf seiner Webseite www.stephantransgenderfotoshooting.ch an. Bei Stephan sind Girls wie ich gut aufgehoben. Die Fototour mit ihm war angenehm und unterhaltsam. Ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft und empfehle ihn gerne weiter.

Zuletzt noch ein paar Impressionen vom Berner Stadtbummel.

Nicht mehr alleine

Liebe Mädels, liebe Lesende

Schon lange kenne ich die Seite GWHF, schon lange habe ich den Wunsch mit euch einen schönen Abend zu verbringen. Das ist auch voll gelungen und nun könnte der Bericht schon fertig sein. Das ist aber nicht der Zweck, ich soll euch meine Eindrücke mitteilen und etwas von mir preisgeben. Jetzt wird’s schwierig.

Beginnen wir doch von vorne: nachdem ich mich mehr schlecht als recht durch mein Leben schmuggelte, ist mir eben dieses Leben vor etwas mehr als zwei Jahren so tüchtig um die Ohren geflogen. Aufgeflogen als Sarah, Job weg, aus der Beziehung und Wohnung geflogen. Mein Fazit: wann, wenn nicht jetzt! Steh endlich zu dir und lass endlich zu, dass du anders bist und  anders sein darfst. Doch so einfach war es dann eben auch nicht. Die Zusammenarbeit mit meiner Psychologin beginnt zu fruchten. Meine Weiblichkeit erobert ihren schon längst verdienten Platz.

Im März 22 habe ich es dann endlich geschafft, mich für einen Abend anzumelden in dieser schönen Location. Der Herrgott meinte es allerdings anders und schickte mich erstmal nach einem Schlaganfall ins Spital. Da hatte ich auch Zeit um nachzudenken. Das GWHF-Treffen musste also warten. Dieses Ereignis hat mir dann endgültig gezeigt, wohin die Reise von nun an geht. Ich lebe jetzt als Frau. Bin nun komplett geoutet bei Familie, Freunden und am Arbeitsplatz. Endlich. Ich denke nun lauter über Namensänderung und Hormontherapie nach.

Für den August-Termin meldete ich mich erneut an mit gleichzeitiger Reservation
eines Zimmers. Die Vorfreude war gross. Die Nervosität auch. Beides wurde grösser, je näher der Termin kam. Schliesslich beruhigte ich mich, ich war ja nicht allein. Oh Gott, ich kenne die alle ja nicht, wie werde ich aufgenommen und so weiter und so fort. Die Gedanken kreisten.

Ich habe mich schon zuhause zurecht gemacht und habe die Fahrt dann so richtig  genossen. Und mich dann richtig, richtig auf die Mädels und den Abend gefreut. Die Begrüssung auf der Terrasse ist dann auch herzlich ausgefallen. 20 Namen wurden genannt, von denen ich 5 Minuten später einige nicht mehr richtig zuordnen konnte – bitte verzeiht mir, ich gelobe Besserung.

Schon lange nicht mehr habe ich einen Abend so sehr genossen wie diesen in eurer Mitte. Ich durfte so sein wie ich bin, wie ich mich fühlte und mein Aussehen ist auch nicht durchgefallen. Keine schrägen Blicke, sondern ein sehr schönes Willkommensgefühl wie ich es schon lange nicht mehr erleben durfte. Und vor allem keine Fragen, welche Toilette ich nun nehme. Tiefe, gute und lustige Gespräche wurden geführt. Da gibt es ja noch mehr Menschen mit ähnlichen Geschichten.

Jede musste sich dem Leben stellen. Beeindruckend die Geschichten von euch, beeindruckend wie ihr damit umgeht. Es bestärkt mich, diesen Weg mit Freude und Mut weiterzugehen. Dafür danke ich euch allen von ganzem Herzen. Raus gehe ich ja schon lange – Shoppen, Einkaufen, Essen, Wanderungen und Ausflüge. Vielleicht von nun an nicht mehr alleine, vielleicht mal mit einer von euch. Und ich schliesse diesen Bericht mit Tränen in den Augen aber auch in grosser Vorfreude auf das nächste Treffen.

Sarah

Ein eindrücklicher Abend

Der Tag begann wie jeder Tag, an dem ich mich in Bettina verwandle: mit einem Termin beim Barbier. Glatt muss die Gesichtshaut sein, bevor ich sie einem Makeup unterziehe.

Ich sehe mich als Crossdresser, getrieben von einer regelmässigen Lust auf einen Rollenwechsel. Mich en femme zu bewegen ist ein Abenteuer. Die Verwandlung, angefangen mit dem Schminken, die weiblichen Kleider, die Perücke. Es ist jedes Mal etwas anders, meist eine Freude, manchmal verbesserungsfähig und meist mehr Zeit in Anspruch nehmend als geplant.

So auch dieses Mal. In einem Jupe oder in einer Hose auf die Reise? Draussen ist es winterlich. Das Posieren vor dem Spiegel nimmt Zeit in Anspruch. Die Hose soll es sein. Sie passt perfekt in die Stiefel. Das passt. Dieses Reit-Outfit gibt ein gutes Gefühl, ist warm und lässt sich bestens mit dem Wintermantel kombinieren. Mir wird klar, wieso dies für viele Frauen der Winter-Dresscode ist.

Hinauszugehen und dann an der Bahnstation mit vielen anderen Menschen zu warten, ist natürlich auch Teil des Abenteuers – zwiespältiger als in der häuslichen Blase. Ich versuche mich weiblich, aber nicht schrill zu kleiden. Trotzdem falle ich wohl auf. Die Blicke, die mich treffen, sind wach. Erstaunen, Wohlwollen, ein Lächeln, manchmal auch unübersehbare Ablehnung. Im Zug sitze ich lieber allein in einem Abteil. Das ist an diesem Tag, Corona regiert, kein Problem.

Ich hatte mir die gwhf.ch-Seite schon viele Male angeschaut, Berichte gelesen und mir mehrmals vorgenommen, an einem Treffen teilzunehmen. Dass ich es dann doch nicht tat, hatte verschiedene Gründe, zuletzt kam immer wieder ein beruflicher oder privater Anlass dazwischen.

Aber jetzt, zum Anfang des neuen Jahres klappte es. Das ist doch ein Auftakt. Auf dem Weg zum Treffen entdecke ich ein fast leeres, museal wirkendes Städtchen namens Wangen an der Aare. Ein Bijou mit seinen alten Häusern, dem Stadttor und der Holzbrücke. Dann: einchecken, den Rollkoffer öffnen und umziehen im Hotelzimmer. Das Kleid für den Abend hatte ich schon länger ausgewählt. Es sollte zu den roten Pumps passen, die ich endlich mal ausführen wollte.

Darauf galt es ernst: runter zum Apéro. Einige Ladies sitzen schon da. Gegenseitige neugierige Blicke, ein freundlicher Empfang. Wie ich bald erfahre, gehört die Mehrheit zu den Stammgästen, aber ausser mir sind auch zwei neue Gesichter hier. Omikron mag schuld sein, dass die Runde klein bleibt.

Schon beim Apéro sind die Gespräche offen. Beim Essen und danach erfahre ich von eindrücklichen Lebenserfahrungen. Ich bin beeindruckt von dem Mut, der Entschlossenheit, die hier rund um den Tisch sitzt und der Direktheit, in der diskutiert wird.

Fotograf Stephan ermuntert mich, für ein paar Bilder zu posieren. Das tue ich gerne.

Danach wird an der Hotelbar geplaudert. Als die Al Ponte-Crew Feierabend macht, zieht ein Teil der Runde in eine Bar ein paar Dörfer weiter. Ich bin schon etwas müde und gehe darum lieber ins nahe Hotelzimmer. Davor gibt’s ein weiteres interessantes Gespräch.

Am andern Morgen unterschätze ich wieder den Zeitbedarf, um mich zurecht zu machen. Aber es fühlt sich gut an, en femme zu frühstücken und nach Hause zu fahren. Ich werde wieder kommen.

Bettina

Mein erster öffentlicher Auftritt

Frühmorgens, irgendwo in der Nordwestschweiz

Heute ist es soweit! Heute geht‘s in die mir bis dahin noch unbekannte Ortschaft Wangen an der Aare. Aber nicht die Unbekanntheit des Ortes macht mich nervös, sondern das was mich an meinem ersten GWHF-Treffen erwartet. Und vor allem ist es das erste Mal, dass ich tagsüber als Vayana an die Öffentlichkeit gehe. Mir kommt in den Sinn was ich alles noch erledigen muss und werde immer nervöser. Kleider heraussuchen, aber welche? Bin ich damit underdressed, wie geht Vayana an ein solches Treffen? Nein das passt gar nicht, also alles nochmals ausziehen und ratlos vor einem Berg Kleider stehen. Verflixt, rasieren muss ich ja auch noch! Gut, das gibt mir Zeit, nochmals die Kleiderwahl zu überdenken. Im Badezimmer gehen mir wieder tausend Gedanken durch den Kopf. Wie ich meiner Frau vor etwa 2 Jahren mitteilte, dass es in mir noch eine andere Seite gibt. Wie liebevoll und verständnisvoll sie darauf reagiert hat. Wie wir zusammen nach Bern zu Gloria fuhren und ich wertvolle Schmink- und Styling-Tipps bekommen habe. Aber als Frau rausgehen, das war in dieser Zeit so wenig möglich wie als Mann. Bars und Restaurants waren geschlossen und die ganze Welt hoffte auf baldige Besserung der Corona-Pandemie. Dies verunmöglichte es mir, mich in der Öffentlichkeit als Frau, als Vayana zu erleben und zu experimentieren. Zu gerne wäre ich gestylt rausgegangen und hätte mit meiner Frau einen Mädelsabend genossen, doch dies war in dieser Zeit nicht möglich, wegen Corona und vielen anderen Umständen, die damals herrschten. Und so wurde das GWHF-Treffen im August 2021 zum ersten öffentlichen Auftritt von Vayana und ich war so nervös wie damals als Kind bei der Schulaufführung kurz bevor der Vorhang aufging.

Nachmittags, am Schminktisch

Die Abfahrt rückt näher und näher, die Nervosität wird immer grösser. Draussen beginnt es zu regnen, wie so oft diesen Sommer. Ich beschäftige mich mit allem Möglichen und Unmöglichen, einfach weil ich noch zu nervös bin um mich konkret vorzubereiten und so vergeht der Tag allmählich. Dann endlich beginne ich mit dem Schminken und es artet im Desaster aus. Ich schwitze ebenso viel Wasser raus wie die Wolken gerade runter lassen und nichts hält auf meinem Gesicht. Und je weniger mir das Schminken gelingt, umso unruhiger werde ich. Ich beginne von vorn, wieder klappt es nicht wie ich es will. Jetzt merke ich dass die Zeit langsam knapp wird. Also ein allerletztes Mal alles abschminken und nochmals beginnen. Mit dem Resultat bin ich gerade mal mässig zufrieden aber jetzt ist es zu spät, um nochmals zu beginnen und alles was ich jetzt noch mit meinen nervösen Fingern mache, zerstört mehr als dass es Vayana zur Schönheit verhilft. Letzte Kleider anziehen, Autoschlüssel verzweifelt suchen, Tasche packen und raus zum Auto.

Am Abend auf der Autobahn

Der Regen wird immer stärker. Meine Nervosität weicht der Konzentration die Strasse zu erkennen und ich vergesse ganz, dass ich als Vayana unterwegs bin. Kurz erhasche ich einen Blick im Rückspiegel von mir selbst und bin richtig stolz so weit gekommen zu sein. Hätte mich meine Frau heute nicht unterstützt, wäre ich nicht eingestiegen. Ich bin stolz auf sie und mich. An meinem Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft aber auch in meinem Freizeitumfeld weiss niemand etwas von Vayana. Vielleicht ist Vayana dafür auch noch zu jung und muss erst ihren Weg finden, um entscheiden zu können wem sie sich zeigt und wem nicht. Ich lasse das auf mich zukommen. Während der Regen weiterhin meine Fahrt erschwert lasse ich meine Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Zurück in die Vergangenheit in welcher ich noch keinen Namen hatte für diese relevante andere Seite in mir. Wie ich mich als Jugendlicher in Frauenkleidern mitten in der Nacht rausgeschlichen habe. Oder später in den ersten festeren Beziehungen dies verheimlicht und versteckt habe. Je mehr ich dies aber versteckte umso schlechter ging es mir. Je mehr ich es unterdrückte desto grösser wurde der Selbsthass. Ich kannte niemand, mit dem ich diese Gedanken und Bedürfnisse teilen konnte, der mir etwas zum Thema Crossdresser erzählen konnte. Bestenfalls Tantchen Google, aber auch da fand ich kaum Antworten die mir halfen. Viel musste passieren bis ich mich meiner jetzigen Partnerin so zeigen konnte. Da plötzlich reisst mich das Navi aus den Gedanken, das hier ist meine Ausfahrt und da vorne ist schon der Parkplatz. Ich vergesse ganz meine Nervosität und wähle einen Parkplatz ganz nahe am Eingang um nicht beim Hineingehen vom Regen weggespült zu werden. Ich öffne die Tür und renne durch den Regen.

Am Abend im Hotel Al Ponte

Jetzt erst realisiere ich, dass ich einfach ohne Zögern rein gerannt bin und da stehen schon ganz viele hübsche Damen. Ich gehe langsam auf die Gruppe zu, werde freundlichst begrüsst und lerne unzählige Namen, die ich mir niemals merken kann. Also auch als Vayana habe ich ein lausiges Namensgedächtnis… Ich grinse innerlich über diesen Gedanken und begrüsse bereits die nächste Frau. Es ist ein wunderschöner Abend mit so viel spannenden Menschen und schönen Gesprächen. Ich fühle mich sicher und werde immer ruhiger. Ich fühle mich auch nicht so verschlossen, wie ich als Mann meistens bin, sondern geniesse es mit allen zu reden. Ich höre Geschichten über deren Outings, deren Leben, deren Verständnis und Denkweisen und bin einfach nur beeindruckt.
Nach einem wunderschönen kurzen Abend geht‘s zwar noch für einen letzten Drink weiter in eine Bar. Doch auch da vergeht die Zeit wie im Flug und ich geniesse die Gesellschaft und mich als Vayana unter Menschen wohl zu fühlen.

Ich bin stolz, ans Treffen gegangen zu sein. Die Eindrücke, die Gedanken und die vielen Themen schwirren noch lange in meinem Kopf herum. Aber auch Dankbarkeit für diesen herzlichen Empfang an meinem ersten Treffen. Und es werden sicherlich noch viele folgen. Ich freue mich schon jetzt, auch wenn ich jetzt schon weiss, dass ich auch das nächste Mal wieder überfordert vor einem Kleiderberg stehen werde und nicht weiss was ich wählen soll, aber so ist Vayana.

Mein erstes GWHF-Treffen

Nach dem vollen Durchbruch meiner femininen Seite im September 2019 war ich schon öfters en Femme in der Öffentlichkeit unterwegs.
Nun habe ich es auch endlich mal ans GWHF Treffen in Wangen a. d. Aare geschafft. Nach Corona ab 2020 nur noch sehr eingeschränkt und mit Auflagen zum Treffen zu gehen hat mich nicht angesprochen und während der Lockdowns hat sich eine Teilnahme sowieso erledigt.
Aber mit den Lockerungen kam doch ein Lichtblick als ich gesehen habe, dass ab Juni 21 wieder erste Treffen stattfinden.
Da das Treffen im Juni für mich aber doch noch sehr optimistisch war, habe ich abgewartet ob es überhaupt stattfindet. Und siehe da, die Durchführung dieses Juni Anlasses hat stattgefunden, allerdings noch mit einigen Einschränkungen. Als diese dann später auch noch fast alle wegfielen, habe ich mich entschlossen, am Juli-Treffen teilzunehmen.
Um es vorweg zu nehmen – es war ein toller Abend mit vielen sympathischen Mädels.
Aber erst mal der Reihe nach.
Welches Kleid soll ich tragen? „Frau“ hat ja, wie immer, nichts zum Anziehen. Also am Mittwoch vor dem Anlass noch das ganze Shopping Center nach dem richtigen Kleid abgesucht und auch fündig geworden, dazu die passenden Schuhe gekauft, muss natürlich auch sein.
Freitag 18:30 Uhr Treffpunkt zum Apéro, für mich bereits eine sportliche Herausforderung für diesen Termin, bin ich doch am Arbeiten und muss mich anschliessend von Spreitenbach nach Wangen a. A. mit dem Auto „durchkämpfen“.
Also am Freitag bereits um drei Uhr Feierabend gemacht und ab nach Hause. Kurz vor fünf Uhr ist dann „Alexandra“ fast fertig. Für das richtige Makeup reicht die Zeit nicht mehr, also ab ins Auto und los. Der Verkehr war einem Freitag entsprechend, erreichte Wangen kurz vor sechs Uhr und war ziemlich aufgeregt und gespannt, was mich an diesem Anlass so alles erwartet.
Und ja Nelly, du hast richtig gesehen. Ich war noch am Bahnhof auf dem Bänklein und habe mir noch eine „Beruhigungs-Zigarette“ gegönnt bevor ich um 18:30 Uhr auf den Parkplatz beim Hotel Al Ponte gefahren bin.
Aussteigen und sich umsehen, Kleider richten, sitzt alles wo es sein muss, keine Laufmaschen, Handtasche mitnehmen und los geht’s Richtung Hotel Eingang. Da ja ein Traumwetter war an diesem Freitag (muss ja sein wenn Engel unterwegs sind) erst mal die schöne Terrasse abgesucht ob da die Mädels sind, aber niemand gesehen. Oh Schreck, hab ich mich im Datum geirrt? Dummerchen, auf der Einladung steht „Treffpunkt im Foyer“. Also, voller Aufregung rein ins Hotel und auf Anhieb über 10 Mädels gefunden.
Kurzes Hallo an alle und mich artig vorgestellt. Schon ein bisschen komisch halt so ohne Hände schütteln. Aber auf Anhieb 10 neue Namen gehört und nach 20 Sekunden schon wieder die Hälfte vergessen. Werde diese im Laufe des Abend aber noch ein paarmal hören und davon mindesten ein paar mehr behalten können.
Zwischenzeitlich treffen immer mehr Ladys ein und schon bald quillt das Foyer aus allen Nähten. Mädels wohin man schaut.
Die ersten setzten sich nach draussen zu einer Rauchpause ab und ich schliesse mich diesen an. Draussen kommen wir auch schnell ins Gespräch und es ist interessant mitzubekommen was sie aus ihrem Leben erzählen und welche Erfahrungen sie gemacht haben.
Drinnen sind die anderen bereits ins Speiserestaurant gewechselt und ich geselle mich auch dazu. Zwanglos und ohne Tischordnung setze ich mich zu einer Gruppe an einen Tisch, nicht ohne zuvor noch einen Blick auf den Fernseher zu werfen, wo das EM-Spiel Schweiz – Spanien läuft.
Interessante Gespräche beim Essen werden durch kurze Fussballinformationen unterbrochen und den obligatorischen Zigarettenpausen nach dem Essen draussen.
Die Zeit vergeht bei diesen angeregten Gesprächen wie im Flug. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät, schon 23 Uhr. Die ersten Mädels machen sich bereits auf den Heimweg. Die restlichen begeben sich in die Lounge oder an die Bar. Ich bestelle mir noch einen kleinen Schlummertrunk und verabschiede mich dann auch.
Hat mega Spass gemacht und komme bestimmt wieder, versprochen.

Alexandra

Nelly stellt sich vor

…samt einem Slam von ihr.

Die Hausaufgaben fürs Wochenende: Repetieren Sie die Konstruktionen «gefällt mir», «schmeckt mir», «steht mir», «passt mir», S. 157 / 158 im Buch.

Lorenz, Deutschlehrer für Fremdsprachige, wünscht ein schönes Wochenende, schaltet den Beamer aus und freut sich auf Nelly. Heute zum ersten Mal am GWHF-Treff!

17.11 Uhr fährt der Regionalzug ab Olten, den Lorenz jeden Abend nimmt, bis vor seine Haustür fährt der, doch heute steigt Lorenz früher aus, in Wangen a. A.

Aha, aha: auf einem Bänklein vor dem Bahnhof sichtet er bereits eine TV-Schwester. Will offenbar noch ein bisschen alleine sein, spazieren und sich geniessen – ha Di scho gseh!

Mit dem ratternden Rollkoffer geht’s durchs Altstädtchen, über die Holzbrücke und unter dem Autobahnzubringer hindurch. Dabei stell ich mir, in meiner unendlichen Selbstüberschätzung, vor, dass die Leute von Wangen sehr wohl wissen, was es läutet, wenn zu Beginn des Monats wieder die Rollkoffer rattern. Tourist*innen sind das nicht …

Im «Al Ponte», auf Zimmer 8 dann, ist schon eine Schwester, die noch halb Bruder ist, am sich Verwandeln. Ich liebe diesen Blick hinter die Kulissen und muss mich zurückhalten, dass ich ihre Verwandlung nicht ständig begeistert kommentiere. Ich darf ihr mit dem Reissverschluss im Nacken helfen und bei der Auswahl der Schuh-Farbe. Wir kennen uns von «Travesta», aber so richtig erkennen tut sie mich erst, als ich die Perücke aufsetze.

Diese Perücke finde ich sexy, weil mir ständig Locken ins Gesicht fallen, sie wird mich aber den ganzen Abend lang beschäftigen, genau wie mein Schulter-Décolleté. Das Gefühl, dass ständig etwas an mir am Verrutschen ist …

Und dann, wow, das Geräusch meiner Schuhe und das Flattern der Hose, wie ich ausschreite durchs Hotel – und da sitzen sie auch schon, all die bunten Wesen, die Verzauberten, Königinnen, Prinzessinnen, Self-Made-Women, Ladies, Heldinnen der Identität – und jede hat einen Namen, den man sich merken sollte.

Dass ich hier in diesem Bericht keine Namen nenne, ist ein Prinzip, das ich mir in meiner künstlichen Heimat «Travesta» zurechtgelegt habe. Ich verstehe jede von Euch als ein Geheimnis.

Und dann sitze ich Madame Visage gegenüber, und die Abendsonne fällt mir voll ins Gesicht – Achtung, Blamage! Wie war schon mal das Wort: «Tageslichttauglich.» Madame findet mich aber «ein gutes Mädchen», ich beginne fluchtartig zu blödeln und ihr gefällt das: «Hej, Du bist ja echt spielerisch drauf!»

Wart’s nur ab, Madame Visage, gleich kommt …

… Nellys Slam!
Ich klingele mit dem Glas und stelle mich vor die unbekannte Gesellschaft und habe während den folgenden Minuten das doppelte, dreifache Gefühl, dass alles an mir verrutscht. Gottseidank ist da links von mir eine Glastrennwand, an die ich mich lehnen kann, und das sieht dann irgendwie entspannt aus …
Churz und uf d’Schnelli, schtelli
mi vor:
Ich bi d’Nelly.
Achtung: Ich bin e-n-Intellektuelli!
E-n-Artifizielli!
E Bi-, Tri-, Trans-, Trul-lala-Kulturelli!
Doch au e Reelli.
Und sicher au e Rebelli-
-schi! – Und sicher kei Perfektuelli.
Bin halt e-n-experimentelli Nelly.
Bin e pBaschtleti, aber kei Belaschteti.
D’Nelly läbt uf ere Bouschtell, und weiss: s Läbe, das het es Gfäll.
Und ich fall, wenn Du mir gfallsch, Dir au gern mit de Tür i s Huus!
Doch kei Angscht: Bin e kei Krimi-Nelly.
Bin im Alltag dusse, Dütschlehr-Er, für Usländer-Inne.
De Dütschlehr-Er aber isch ganz ohni –inne – bin nid g’outet.
Ehnder Astronaut-In, bin- i, wiit dusse vom Alltag, im All vo de Gschlächter.

[…]
Ich bin gebore
Us em Schuum
vom Traveschta See.
„Am Traveschta-See / Ha-n-i di s’erschte Mol gseh – …“
De Schuum isch en Wörter-Schuum, und ich bin e Sexpliziti, wenn ich schwümm i dem See – … … – doch es sind jo nur Wörter – oder? – und es bitzeli Bilder, wo mir eus mached.
Und d’Frog isch jo dert: Was begehr i, was bliibt mir verwehrt?
Und wenn verwehr ich, – grad umgekehrt -, de oder die, wo mich begehrt?

[…]
Bin nid Dev. Bin nid Chef. Han Reschpäkt vor allem, wo Liide schafft. Bin e-n-Empathischi, säit me. Doch, Achtung, bin au e Dramatischi – Bin aber kei Quäli-Nelly.
Bin i de Seel e Helli,
fall nach em Tod nid i d’Höll,
bin u de Suech nach em Quell,
wo halt villicht kein „Lui“ isch, sondern e-n-„Elle“.

[…]
Am Aafang sind’s Heels gsi,
doch plötzli sind’s Gfühl gsi.
D Schlange vom Paradies het mi i s Ferseli pbisse, und ganz süess schüsst jetzt s Gift vo de Füess,
i mir uuf, und über mich use,
bis durt d’Decki schüsst das Gift,
wie-n-en Lift, ganz höch in Himmel fahrt das, i s All, zwüsched all
Eu
wunderbari
Gender-Sternli.

[…]
Ich chumm jo eigentlich vom Theater
und wächsle gern d’Chleider, d’Hoorfarb, d’Bruschtgrössi und d’Art vom Orgasmus, bin jedes Mol wieder neu – und bliib mer grad do demit treu.
D Wält isch e Bühni und das mit Adam und Eva und mit de Schlange-n-es Spiel. Und d’Ängel flüget, und chönnd nid falle.
Und s Chätzli het Chralle.
[…]
E Schwöschter het mer mol gseit, wo-n-i plötzli Angscht vor mir übercho han:
Lo di nur vo niemertem ine zieh.

Zieh … – Zoge-n-am Boge … – Und unterdesse ha-n-i mi so erzoge, dass i ganz sälber gumpe-n-, …

… – in See – …
vo de Wörter, de Ängscht, und de Gschpängscht, und de Glüscht, und de Sexplizitheite, und de fehlende Brüscht …
[…]
Wenn d’Wörter zäme flüget und vöglet und Liebi machet,
bis es krachet, denn lachet d’Nelly:
D Grammatik isch für sie au Erotik,
und ihri Wörter tüend flirte und surfe, uf em Traveschta-See.

[…]
s isch mer alles ei Ding,
öb i lach oder sing!
Ha-n-es Herzeli wie-n-es Vögeli, durum liebe-n-i so ring.

[…]
Und au ich möcht flüüge, hüt zobig,
und hüpfe-n-und wandere
Vo dr eint zur Andere,
und eu bewundere
[…]
Let’s do
some L-B-G-T-Q-Barbecue!
Barbie. Oh, Barbie.
Barbie Q, I love you.
The way you walk, the way you talk,
I’m so irresistably shocked – let’s rock!
[…]
Und wenn Ihr jetzt froget, was die Nelly verzelli, was si welli, de säg i: Ich will eu gfalle.
S muess aber, natürli, nid sii.
S Läbe-n-isch jo au so
schnell verbii.

Applaus.
Danke.
Das war unerwartet, ich weiss.

«Unbekannte Gesellschaft», hab ich gesagt, doch eigentlich ist zu fragen, was für eine Gesellschaft denn meine künstliche Heimat «Travesta» ist – und ob GWHF nicht eine realere Heimat werden könnte.

Oh, je, und jetzt müsste frau auch noch Hunger haben – …

…- jo, was bschtelli, so als Nelly? – Dieses Kokos-Zitronengras-Süppchen mit Crevetten wird’s wohl tun.

Und diese sexy Perücken-Locken im Gesicht machen es nicht einfach, Suppe zu löffeln, werde wohl bei «Wish» noch ein paar Haarspängeli bestellen. Madame Visage zeigt mir, wie ich die Locken hinter die Ohren streichen kann, ohne dass gleich die Perückennaht sichtbar wird.

Eineinhalb Stunden später, als dann endlich der Hunger kommt, mach ich den Fehler, noch einen Bananen-Split einzuwerfen. Dem wird die teuerste Bestellung folgen, ein Grappa, zum Verdauen.

Kurz später dann draussen, bei den Raucher*innen in der wunderbar sinnlichen Abendluft: Wir besichtigen die heteronormative Schweizer Gesellschaft, die an den Tischchen sitzt, und die, ganz diskret, auch uns besichtigt. («Hampi! Lueg jetzt wider do ane!»)

Fast mit allen hab ich geredet, ausser mit einer, die mir abweisend schien, und zurückgezogen – doch genau die sorgt heute Abend noch für eine Überraschung: Kommt, als ich mich verabschiede, mit so einem warmen Kompliment auf mich zu, dass mir das Herzchen hüpft.

Eine freundliche ältere Schwester, die Weltmeisterin im Erzählen von Witzen ist und in derselben Region wohnt, chauffiert mich nach Hause, und kurz stelle ich mir vor, dass wir auf der Autobahn in eine Auffahr-Kollision geraten und, so phantastisch aufgemacht wie wir sind, in der Notfall- Aufnahme landen …

Aber nein, sie bringt mich heil vor die Haustür: Und jetzt steht Nelly das erste Mal vor ihrem eigenen Haus. Kommt das erste Mal zu sich nach Hause. Willkommen.

Ich schaue in den Spiegel, und ich finde mich – … – ja!
«Gefällt mir». «Schmeckt mir.» Und ich glaube, mein ständig verrutschendes Outfit stand mir. Und diese neue, reale Gesellschaft: Passt mir.
Nelly

In Zeiten von Unsicherheiten

Bericht GWHF / Daniela Cross, 29.10.2020

 

Überall und tagtäglich sind wir betroffen – die Pandemie führt mit starker Hand, beeinflusst mehr als gewohnt alle Lebensfacetten. Auch deshalb – so meine Annahme – liegt es Monate her, seit hier im Forum der GWHF-Girls ein Erlebnisbericht ins Netz gestellt wurde. Ich lese die Berichte immer gern und sehr aufmerksam. Da fühle ich mich oft verstanden und es führt vor die Augen, dass ich mit all meinen Themen rund um mein Frausein nicht allein bin. Es hilft zu verstehen – es gibt Einblicke in andere Lebensgeschichten – ich schätze soche Reflektionen.
Die Mädels haben sich im Rahmen der Möglichkeiten und Einschränkungen zwar getroffen, mit weniger Teilnehmenden, und ich kann mir gut vorstellen, dass damit auch die Lust sich zu präsentieren, sich mitzuteilen und aus dem Leben zu berichten, verständlich kleiner geworden ist.

Und doch – sind es nicht gerade auch diese Berichte, die solche Foren lebendig halten und sich neuen Interessierten erschliessen? Dank eines solchen Berichtes habe auch ich nach Wangen gefunden. Deshalb schreibe ich jetzt ein weiteres mal – nach 8 Monaten Unterbruch – jetzt aber etwas aus dem Leben seit März – ein Lebenszeichen in der Zeit der Pandemie.

Keine Sorge – ich werde bewusst kein politisches Statement abgeben und schon gar nicht all die Massnahmen gegen den Virus kommentieren. So lange Hochbetitelte, Promovierte und Gesundheitsfachleute dermassen kontrovers die Lage beurteilen, werde ich mir nicht anmassen, mein Unwissen auch als Wissen einzubringen.

Erst schleichend ab dem neuen Jahr, dann abrupt hat meine Bewegungsfreiheit ein Korsett bekommen, auch ich musste mich an neuen Leitplanken orientieren. Ab und zu hat mir das den Atem genommen – die Vorstellung was alles sein könnte, war oft unerträglich. Ja, geweint habe ich auch, leise nach innen, mehr als einmal. Aber immer besser konnte ich das Korsett als leichtes Kleid annehemen – ab und wann habe ich das verordnete Korsett auch touchiert, gedehnt, ganz selten jedoch ausgezogen. Mental – ein auf und ab – Kopf und Herz oft nicht zusammen – so habe ich mich dann zurück genommen, zwei Gänge zurück geschaltet, wie man so sagt.

Und doch ist es mir dann gelungen, einen guten Weg zu finden. Eher mehr als gewohnt bin ich en femme raus – in Landschaften und in Städte, an Seen und Plätze. Jetzt halt vermehrt allein – ich habe nicht mehr zu Treffen abgemacht – ich bin einfach für mich los und habe so auch ganz viel für mein psychisches Wohlbefinden tun können.

Und es geht auch in diesen Zeiten. Meine Touren habe ich ausgedehnt und konnte so viele sonnige Momente und Tage erleben. Meine Bilder zeigen das – im Blumenkleidchen in Thun an der Aare und im Lederjupe in einer meiner Ausgangsmeilen in Zürich – das alles in der Zeit der Pandemie, eingeschränkt zwar aber halt en femme.

Das sich zurück nehmen habe ich rückblickend als positiv erlebt – sich etwas mehr zu erden, nicht jedem Anlass und Ausverkauf hinterher zu stöckeln – die Feierabendapéros auszulassen oder dann nur mit mir allein anzustossen – lieber in Museen anderen Interessen nachzugehen, und und. Wieso nicht wieder mal die Staffelei aus dem Keller holen? Analoge Fotographie – einst ein grosses Thema das mich sehr fasziniert hat – ist wieder auf dem Tisch – zumindest meine Kamera.
Auf jeden Fall habe ich etwas ausgemistet – mich von ein paar unnützlichen Dingen verabschiedet. Selbst aus zwei Chatforen habe ich mich abgeseilt. Das ist eine gute Erfahrung – und schenkt viel Zeit für anderes.
Es hat auch geholfen, die Eigenwahrnehmung zu hinterfragen, zu schärfen und zu korrigieren. Die Eigensicht und die Sicht von anderen sind oft ja nicht im Einklang – darum schadet es nicht, in den eigenen Spiegel zu schauen (nicht nur beim Auftrag des Lidschattens).
Trotz Korsett – ich fühle mich heute wieder freier – kann ich mit all den Massnahmen selbstverständlicher umgehen. Selbst die Maske vor den gefärbten Lippen mindert das Vergnügen wenig.

Und – ich habe eine neue Erkenntnis gewonnen. Diese möchte ich jetzt vor allem jenen Mädels erzählen, die sich per se nicht getrauen, sich hübsch zu machen und nach Draussen zu gehen.

Die Maske maskiert – die Maske nimmt dem Gesicht die letzten männlichen Attribute, schleift kantige Kins weg und deckt Nasen ab. Niemand, aber auch niemand wird euch erkennen – ich habe das bewusst auf die Probe gestellt. Unter Menschen die mich gut kennen habe ich mich begeben, Augenkontakte sind geflossen, Männerblicke habe ich höchstens an meinen Beinen und knapp darüber gespürt – keine fragenden Blicke, keine erstaunten Gesichter. Von der Cousine bis zu Arbeitskollegen – ich habe das Experimentierfeld breit abgesteckt.
Es funktioniert! Mir hat auch eine Freundin berichtet, die jetzt das erste mal mit Maske in einen Schuhladen ging, dass das prima gelaufen ist. Ich habe mich für die Lady richtig gefreut.
Also Mädels – jetzt geht raus – gönnt euch diese neue Freiheit. Ihr werdet vor Freude singen, eure Augen werden strahlen, wässrig vor berührender Glückseligkeit.
Und Morgen, im nächsten Jahr? Ich kann nicht Kaffeesatz lesen – und wenn ich es könnte, ich weiss nicht, ob ich alles schon jetzt wissen möchte. Volatil ist das Leben auch ohne die Pandemie geworden. Mit Unsicherheiten müssen wir leben lernen. Mit immer komplexeren Zusammenhängen, die wir oft nicht auf Anhieb wenn überhaupt verstehen, umgehen können – das wird uns in Zukunft begleiten und kaum mehr loslassen. Anspruchsvoll – aber auch spannend!

Um so mehr ist es wichtig – für mich – mein Leben glücklich zu leben – jetzt und hier – nicht irgendwann und irgendwo. Etwas mehr analog, weniger digital – oder real und nicht virtuell.

Geht auf die Strasse Frauen – beansprucht Raum und Zeit für euch – es hat Platz für uns!

Bleibt gesund – herzlich, Daniela