Zwischen Neugier und Nervosität: Lili’s erstes Treffen – und das Gefühl, richtig zu sein

Vor einigen Jahren bin ich auf die Webseite der GWHF-Gruppe aufmerksam geworden. Ich habe eine Teilnahme als Ostschweizerin wegen der Distanz nie in Erwägung gezogen. Überhaupt war ich noch nicht oft an solchen Treffen. Vor vier Jahren war ich einmal bei Transpersona im Landhaus, dann lange nicht mehr bis in diesem Jahr in der neuen Gruppe in Dübendorf. Bei meiner ersten Teilnahme in Dübendorf habe ich Marion kennengelernt und so kam es, dass ich im Juni 2025 erstmals an einem GWHF-Treffen teilgenommen habe. Um es vorwegzunehmen, es war grossartig und sicher nicht das letzte Mal!

Ich möchte ein wenig über mich erzählen, wer ich bin, wo ich gerade auf meinem Weg stehe und was mich hierhergeführt hat. Ich habe grosses Glück eine sehr unterstützende Familie zu haben, alles andere als selbstverständlich. Meine Frau ist mir eine grosse Stütze auf meinem Weg und auch die mittlerweile erwachsenen Kinder stehen mir zur Seite. Seit etwa drei Jahren sieht man mich auch in der Öffentlichkeit, an Partys, Shopping in der Stadt oder bei Ausflügen in die Natur. In dieser Zeit habe ich auch neue Freundschaften geschlossen, Freundinnen und Freunde, die mich so mögen wie ich bin.

Das ich anders bin, wusste ich schon in jungen Jahren, aber ich verstand es damals nicht. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, dann kam die Phase es akzeptieren zu können und nun suche ich als „Teilzeitfrau“ meinen Weg. Auf der Suche nach Möglichkeiten für einen Austausch mit anderen „besonderen Damen“ bin ich nun auch bei der GWHF-Gruppe angekommen. Warum der Name Lili? Liliane hat mir schon immer gefallen und die Kurzform Lili ist auch eine Erinnerung an Lili Elbe, eine dänische Malerin und eine der ersten bekannten Personen, die sich vor bald einhundert Jahren einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben.

Die Nervosität war da an jenem Samstag, auch wegen der Anzahl angemeldeten Teilnehmerinnen, über Dreissig waren da. Zum Glück habe ich früh mit den Vorbereitungen begonnen, auch bei mir als „Teilzeitfrau“ wird das Outfit nochmals angepasst, Plan-B Schuhe eingepackt, weil ich nicht wusste, wie das mit den neuen Schuhen und hohen Absätzen wirklich gehen würde. Ab dem Brüttiseller Kreuz war ich gefühlt eigentlich fast immer im Stau, so kam es, dass ich fast eine Stunde länger bis nach Wangen an der Aare gebraucht habe. Das Einchecken lief problemlos, überhaupt sind die Mitarbeitenden im Hotel alle sehr nett und zuvorkommend. Im Al Ponte weiss man über die besonderen Gäste, ansonsten ist mir das immer ein Graus, Situationen, wo ich als „Teilzeitfrau“ meinen Ausweis zücken muss. Zum Glück hatte ich noch etwas mehr als eine Stunde Zeit, mich umzuziehen und noch etwas frisch zu machen.

So konnte ich mich fast pünktlich zum Apéro um 18.30 Uhr dazugesellen, wobei wohl die Meisten schon viel länger da waren oder einfach nur sehr durstig, denn die Mehrzahl der Gläser waren schon leer. Marion hat mich sogleich in Empfang genommen und schon sehr bald bin ich bei meiner Vorstellungsrunde bei Daniela hängengeblieben, ich kannte sie bereits vom Treffen in Dübendorf. Bald ging es an die Tische und Marion hat die „Ostschweizerinnen“ zu sich an den Tisch gebeten und mit kleinen Kantons-Fähnlein überrascht. Ich fühlte mich sehr schnell wohl in dieser Runde und ich wurde gut aufgenommen.

Mit einigen Teilnehmerinnen kam ich schon ins Gespräch und es war sehr spannend, die verschiedenen Sichtweisen, Lebenssituationen, Ziele und Stationen zu erfahren. Auch wenn wir „besonderen Damen“ viel gemeinsam haben, jede geht doch ihren eigenen, individuellen Weg und das ist auch gut so. Auch die Beweggründe, „sowas zu machen“ oder eben bei der GWHF-Gruppe dabei zu sein könnten unterschiedlicher nicht sein. Auch heute fehlt es in vielen Teilen der Gesellschaft noch immer an Verständnis und Akzeptanz für trans Menschen. Das macht es schwer, offen und frei das eigene Leben zu führen – so, wie es sich richtig anfühlt. Statt Unterstützung begegnet man oft Vorurteilen, Unsicherheit oder sogar Ablehnung. Das kann verletzen, verunsichern und den Weg zur eigenen Identität unnötig erschweren.

Später habe ich gerne die Möglichkeit genutzt, von Stephan abgelichtet zu werden. Das ist sowas, was ich nur als „Teilzeitfrau“ gerne mache, sonst suche ich bei Fotosessions gerne das Weite. Die Konsequenz – ich habe keine Ahnung, wie man richtig posiert und was sonst noch so wichtig dafür ist, z.B. vorher nochmals die Nase zu pudern, um den „Glanz“ der Nervosität aus dem Gesicht zu wischen. Vielen lieben Dank Miranda für den „Fotoshooting Crashkurs“, das war sehr hilfreich und mit deinen Tipps sind die Bilder sehr schön geworden, am Lächeln muss ich noch etwas arbeiten.

Nach dem „Absacker“ an der Bar war ich dann von diesem Abend (… und wohl auch von den Drinks…) etwas geschafft und kurz vor Mitternacht ging es dann Richtung Zimmer. Nach einer angenehmen, eher kurzen Nacht wurde morgens das Make Up wieder frisch aufgelegt, denn die Männerkleidung habe ich bewusst zu Hause gelassen. Mit einem knurrenden Magen und dem dringenden Bedürfnis nach einem starken Kaffee ging es zum Frühstück. Daniela war auch schon da und so genossen wir noch das gemeinsame Frühstück und verabschiedeten uns auf ein „Wiedersehen“. Nachdem ich das viel zu umfangreiche Gepäck im Auto verstaut hatte und der Check Out erledigt war, ging es wieder Richtung Ostschweiz.

Gut zu Hause angekommen, hatte ich bereits eine Nachricht von Marion in meinem Postfach mit der Frage, ob ich gerne einen Bericht verfassen würde. Sofort habe ich zugesagt und machte mich sogleich an die Arbeit. Vielen Dank in die GWHF-Runde, habt ihr mich so offen aufgenommen. Es war ein bereicherndes Erlebnis und ich freue mich bereits jetzt auf meine nächste Teilnahme.

Liebe Grüsse an alle

Lili