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Dankeschön

Liebe Damen vom GWHF

Ein weiteres Jahr durfte ich bei den GWHF Monatstreffen im Hotel Alponte wieder mit dabei sein. Für das mir entgegengebrachte Wohlwollen und die vielen gemütlichen Stunden welche ich mit euch verbringe durfte, danke ich euch herzlich. Es machte mir immer wieder grosse Freude euch bei den Treffen zu fotografieren. Seien es Schnappschüsse, Einzel- oder Gruppenfotos jedes Shooting war immer ein Erlebnis und Herausforderung von so vielen schön gestylten, meist langbeinigen Frauen Fotos zu schiessen. Eventuell findest darunter auch dein Traumfoto! Im 2018 kamen dabei 1000 Fotos von etwa 60 Girls zusammen.

Es würde mich freuen wenn ich im 2019 weiterhin viele Föteli von euch machen dürfte.

Liebe Frauen, ich danke euch für die beim Dezembertreffen erhaltene, grosszügige Spende.

Ich habe euch ins Herz geschlossen.

Ich wünsche euch schöne Festtage und ein guter Rutsch ins neue Jahr.

Stephan

Wie ich wurde, was ich bin

Die Geschichte einer Bäuerin.


Das Magazin, 17. 11. 2017 , von Erwin Koch
Bild: Thomas Kern / Aktualisiert am 10. Januar 2018, 9:05 Uhr

 

Geboren am Morgen des 25. November 1969 im Kantonsspital Aarau: Stefanie L., sechs Wochen zu früh, 2800 Gramm, die Haut gelb, Atemnot, Durchfall. Zu Hause brennt eine Kerze, Tag und Nacht, Stefanie überlebt – eigentlich wollte ich sterben. Sie ist das dritte Kind ihrer Eltern, die Mutter Bäuerin, der Vater Bauer in R., drei Kilometer bis ins Dorf. Stefanie beginnt spät zu gehen, spät zu reden, sie ist schlank und blond und hübsch, ein fröhliches Kind, manchmal setzt sie sich zum Vater, der lustige Geschichten ausdenkt, Stefanie sei ein Zauberer und habe einen Stab, damit klopfe sie an einen Baum, schtips, schtaps, schtöps, aus dem Baum wird, was man sich wünscht. Manchmal zieht Stefanie den Unterrock der Mutter an und tanzt durch das Haus. Am Abend sitzt Muetti an den Betten, spricht ein Gebet, zeichnet den Kindern das Kreuz auf die Stirn. Droht ein Gewitter, bricht sie einen Zweig von der Palme, die der Pfarrer vor Ostern segnete, und legt ihn ins Feuer – Jesus und Maria, verschont uns vor Hagel und Sturm.

Das Kind, sagt die Lehrerin, sei Legastheniker. Der Mutter, in Ägeri zu Kur, schickt Stefanie jeden Tag einen kurzen Brief – Liebs Muetti, gestern Abend bekam die Moore in der zweiten Box zehn Ferkel. Alles Gute. Von Stefan.

Auf dem Pausenplatz stellen sie ihr das Bein, drücken ihr Gesicht in den Brunnen.

Dann spiel doch mit den Mädchen, sagt Vati.

Dann schlagen mich die Buben erst recht.

Jeden Sonntag wartet der Grossvater stumm im Auto des Vaters, bis Vati und die Kinder sich zu ihm setzen und zur Kirche fahren. Nach der Messe bespricht sich der Alte mit den Bauern des Dorfes, eine Stunde lang oder zwei, der Vater und die Kinder warten. Zu Hause trägt die Mutter, oft traurig und müde, Braten auf, trägt ab, räumt auf, legt sich ins Bett, es ist Sonntagnachmittag, Stefanie sitzt in einer Wiese und denkt sich weg.

Liebs Muetti, hat es in Ägeri schon Schnee? Alles Gute. Stefan.

Im Beichtstuhl erfindet sie Sünden – ich habe gestohlen, ich habe gelogen, sie gefällt sich im langen weissen Kleid, das sie zur Erstkommunion trägt. Sind die Cousins zu Besuch, ist sie ein Indianer und erschiesst sich rasch, damit sie nicht länger spielen muss – päng, päng, ich bin tot. Vom Schmutzigen Donnerstag bis Güdisdienstag, Fasnacht, trägt sie Rock und Maske und zieht von Hof zu Hof, wagt sich ins Dorf.

Die Mutter sagt: Zieh endlich den Rock aus, bist doch kein Meitschi.

In der Schule, während der Pause, versteckt sich Stefanie in der Toilette. Der Vater, an multipler Sklerose erkrankt, verpachtet den Hof, 1980, die Mutter arbeitet im Altersheim. Im Klassenlager, eine Woche lang, weint sich Stefanie nachts in den Schlaf – he, Stiefel, vermisst wohl dein Mami.

Am Samstagabend fährt sie mit der Mutter nach V., sie setzen sich in die Kirche St. Peter und Paul, und Stefanie hört das Rauschen der Orgel, lauter und kräftiger als in R. Im Rücken der Mutter schreitet sie zur Kommunion, dann gehen sie hinüber ins Café und essen Kuchen. Manchmal sieht sie den Vater in der Toilette stehen, sie sieht sein Glied, viel grösser als ihres, dick und hässlich, umgeben von wildem krausem Haar.

Ein halbes Jahr im Fussballklub, ein halbes Jahr im Turnverein – warum ist man, wie man ist?

Ist der Vater zur Kur in Montana, füttert Stefanie morgens die Schweine, fährt dann mit dem Rad ins Dorf, hört, wie einer zum andern sagt: He, die Party am Samstag war total lässig, ich weiss nicht mehr, wie ich nach Hause kam.

Stefanie sitzt in der Klasse und sieht die Mädchen neben sich – Mädchen sind so anders. Der Lehrer sagt: Stefan, schau dir die Damen nach Schulschluss an.

Ab und zu, wenn niemand im Haus ist, zieht sie den Rock einer Schwester über, ab und zu einen BH, stopft ihn mit Socken oder Tüchern.

Stefanie redet kaum noch – Bub, was ist nur los mit dir?

Nichts, sagt Stefanie.

He, Stiefel, weisst du überhaupt, was ein Pariser ist?

He, Stiefel, die Theres ist scharf auf dich.

Die Mutter bringt ihr Kind zum Arzt. Ob Stefanie, fragt der Mann, schon einmal einen Erguss gehabt habe.

Einen Erguss?

Einen Samenerguss.

Der Arzt reicht Antidepressiva.

Stefanie möchte Goldschmied werden oder Geigenbauer, Muetti schlägt Landwirt vor, der Götti sucht ihr eine Stelle.

Geh doch mal aus, sagt die Mutter.

Mach was mit den andern.

Ist jemand verrückt, der keine Brüste hat und keine Scheide, aber Brüste spürt und eine Scheide?

Stefanie ist diplomierter Landwirt, 1989, dann Rekrut der Schweizer Armee, schwere Artillerie, der Korporal befiehlt Stefanie in eine Pfütze, aufstehen, abliegen, aufstehen, abliegen. Stefanie ist auch Holzfäller, arbeitet für Bauern im Tal, bringt Mist und Gülle aus – keine Memme. Mit Kollegen besucht sie die Olma, Schweizer Messe für Land und Milchwirtschaft, kippt Bier und Schnaps, wird Mitglied des Schiessvereins, singt im Jodlerchörli Heimelig.

Enge schwarze Strümpfe, versteckt in einem Fass in Vaters Scheune.

Nagellack.

Dann wieder dieses eklige Zeug, das aus ihr spritzt –

Stefanie L. beginnt eine Maurerlehre.

23.4.91: Noch nie hat mich ein Buch so erschüttert wie jenes von Romy Schneider. Romy geht mir den ganzen Tag durch den Kopf. Obwohl sie vor 9 Jahren starb, lebt sie in mir fort.

5.5.91: Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass ich mit Annemarie reiten ging und ich mich in sie verliebte. Wenn es der Allmächtige will, wird Annemarie diesen Sommer zu mir finden.

9.6.91: Jodlerabend in F.: Wir sitzen in der Reithalle, dann kommen die Dirndl aus dem Allgäu herein. Ich erblicke ein zierliches, rot-braunhaariges Mädchen, und sofort hat es mich erwischt. Claudia! Ich tanze mit ihr, dann begleitet sie mich in die Bar, das ist leider alles.

22.6.91: Sie hat schöne, satte Brüste, eine schlanke Taille, schlanke, aber nicht magere Beine. Nackt muss sie wundervoll aussehen, und mit Claudia zu schlafen, müsste die Erfüllung sein.

18.9.91: Wenn alles klappt, werde ich diesen Winter in F. Theater spielen. Es wäre wundervoll, entdeckt zu werden und dann grosse Rollen zu bekommen und Partnerinnen wie Romy Schneider.

Im Nähzimmer der Mutter findet Stefanie vier Achselpolster, sie näht sie, jeweils zwei, zusammen, füllt sie mit Watte und legt sie ins Fass zum BH.

13.1.92: Am Samstag war Theaterpremiere von Es onerchannts Glöck. Auf der Bühne bin ich jemand, den ich nicht kenne. In Agnes verliebt, sie weiss es nicht.

Allein in ihrem Zimmer, denkt sie sich Seeschlachten aus, die sie auf Baustellen mit Kollegen schlägt – dank der Aufklärung einer PBY konnte das feindliche Schalungsgeschwader entdeckt werden. Meine 3:1 überlegene und 4 Knoten schnellere 2. Schlachtkreuzerdivision begann um 6.50 Uhr mit Feuer aus den 70er u. 50er Nagelrohren den Feind zu vernichten. Noch einmal gefährlich wurde es, als das Armierungsflaggschiff von Vögeli aus der feindlichen Linie ausscherte und meine Vorhut angriff. Durch glückliche Treffer ihrer 28 cm Geschütze versenkte sie innerhalb 10 min HMS Schwegler und HMS Troxler, bevor sie über den Bug sank. Nach weiteren gegnerischen Verlusten, Zuschalen und Betonieren strich Vögeli um 11.30 Uhr die Flagge und unterzeichnete in Port Unterkulm auf der HMS Stirnimann die Kapitulationsurkunde.

Am 29. Mai 1992, 22 Jahre alt, schreibt Stefanie L. in ihr Tagebuch, auf den Tag genau vor 10 Jahren sei der Mensch gestorben, den sie am meisten verehre, bewundere, beneide und der sie am meisten erbarme. Ihr Leben lang habe Romy nichts als gelitten, sie, Stefanie, hoffe, sie komme mit ihrer Zerrissenheit besser zurecht als Romy, die Wirklichkeit halte ich kaum aus.

Sie kauft Zeitschriften, Playboy und Girl, zeichnet nackte Frauen in ihr Buch, auf den Deckel klebt sie das Bild von Romy Schneider. Im August 1992 reist sie mit ihrer Mutter nach Russland – ich denke Tag und Nacht nur noch an Svetlana.

2.9.92: Am letzten Wochenende war die Jodlerreise in den Schwarzwald. Hubi und ich waren in einem Bordell. Eine hat mir gut gefallen, und mit ihr wäre es sicher schön gewesen, ich musste aber immer an Svetlana denken, ich liebe sie und möchte zuerst mit ihr schlafen, bevor ich so etwas tue. Ich möchte Svetlana lieben, wie Konsalik es in seinen Romanen beschreibt. Im Schilfgürtel eines russischen Stromes möchte ich sie umschlingen und in ihr die unergründliche Tiefe Sibiriens entdecken.

Ab und zu findet die Mutter in Stefanies Schrank schwarze Strümpfe, sie wirft sie in den Müll und schweigt, Stefanie schweigt.

16.5.93: Gestern habe ich mich wieder im Badekleid fotografiert. Zum letzten Mal, ich schwöre es.

Im September 1993, 23 Jahre alt, fliegt Stefanie nach Malta und schliesst sich dort einer Gruppe an, um nach Sizilien zu segeln – Valentinas Figur ist traumhaft schön, durch die Öffnung der Ärmel sah ich ihren Brustansatz, sie hat kleine, aber wunderschön geformte Brüste. Hoffentlich kann ich ein paar schöne Fotos von Valentina machen, die ich dann ins Romy zeichne.

Den letzten Abend feiern sie in einem Restaurant am Meer, Stefanie will zurück aufs Schiff, ihr sei schlecht, sagt sie, dann steht sie auf, geht los und kauft das Kleidchen, das sie zuvor gesehen hat, zieht es, allein auf dem Boot, sofort an, pink und grün.

Sie ist ein guter Maurer, nie zu spät, nie krank, Stefanie wird Bauleiter bei der Studhalter AG, die Achselpolster, die sie nachts in den BH steckt, einst weiss, sind jetzt grau und schwarz.

Was ist Wirklichkeit?

Nachts bastelt sie Schiffe in der Küche der Mutter, erfindet neue Schlachten – immer noch keine Reaktion vom Kommandanten. Die nächste Salve ist tiefer gerichtet und schlägt krachend in den Rumpf der Renown. Holz splittert und trifft den Offizier der Steuerbordwache, der Kommandos gibt, um das Vorschiff von der heruntergestürzten Takelage zu befreien. Blutüberströmt schleppen ihn zwei Männer zum Niedergang.

Sie schreibt: Ich beginne zu akzeptieren, dass ich nicht so bin wie die meisten Leute.

Und was ist Wahrheit?

14.11.93: In B. spielen wir Was wemmer wette? Ich stehe in schwarzen Strümpfen und Mini auf der Bühne, eine Traumrolle. Die Leute sollen nur sehen, dass ich schöne Beine habe. Manchmal möchte ich ein Mädchen sein und mich selbst befriedigen.

Stefanie L. färbt die Nägel ihrer Zehen rot, geht so zur Arbeit auf dem Bau – was bin ich doch für eine perverse Sau.

28.11.93: Oh, Romy, ich bin wieder auf bestem Weg, mich zu verlieben. Es ist Eveline! Mädchen = Schmerz. Romy, bitte tröste mich.

5.4.94: Die Premiere war super. Romy, du warst bei mir, ich habe dich gespürt. Das Frideli ist vermutlich die schönste Rolle in meinem Leben. Ich könnte mich in mich verlieben, wenn ich in den Spiegel schaue.

Wieder holt sie ihre Röcke aus Fass und Schrank, stopft sie in einen Sack und schmeisst sie weg, kauft neue. Wochenlang, bis sie schmerzen, liegt sie nachts mit roten Pumps im Bett, die Absätze neun Zentimeter lang, postlagernd bestellt beim Versandhaus Vamos.

Stefanie wechselt zum Jodlerklub Berggruess. Am Fernsehen sieht sie Martina Hingis – sie ist so wunderschön.

Nachts setzt sie sich in ihr Auto und fährt nach Zürich oder Bern, zieht sich im Parkhaus um, Perücke, Mini, Strümpfe, und stöckelt durch die Strassen, Stefanie, oft schlecht rasiert, liebt die Blicke Fremder, manche grinsen, und hat sie das Gefühl, jemand habe sie erkannt, flieht sie zum Auto, rast zurück nach R. an den Rand des Dorfes – ob es auf dieser Welt noch andere gibt, die so sind, wie ich bin?

21.11.94: Heute habe ich das Stahldeck der Parma fertig verlegt und das Backbordschanzkleid angebracht. Gäbe es die Schifffahrt nicht, wäre ich vermutlich schon längst bei dir, Romy.

5.1.95 Gestern auf dem Heimweg habe ich einen wunderschönen Spitzenbody und dazu passende Selbsthalterstrümpfe gekauft. Dazu kamen noch 2 Paare teure gute Strumpfhosen. Den Body und die Strümpfe trug ich bis zur Tankstelle.

Stefanie L., Landwirt, Holzfäller, Maurer, kauft einen Traktor, Hürlimann D100, vier Zylinder, Diesel, 45 PS, Stefanie wird Mitglied des Vereins Freunde alter Landmaschinen.

13.1.95: Heute bin ich mit dem Body und den Strümpfen unter den Kleidern an die Probe gegangen. Lieber Gott, ich danke dir, dass ich so schlank bin und nicht grössere Füsse habe.

Stefan, was ist los mit dir?, fragt Muetti. Wieso gehst du nie aus?

9. Mai 95: Martina Hingis, ich liebe dich.

Stefanie kauft einen zweiten Traktor, einen dritten, rüstet sie auf mit Gussauspuff, mit Lichtmaschine und Zündschloss, rattert zu den Treffen der Freunde alter Landmaschinen, die Nägel ihrer Zehen, in Schuhen versteckt, rot. Der Vater überschreibt ihr den Hof, der noch immer verpachtet ist, Stefanie baut die Scheune um, spielt Theater in F., De Schacher Seppali, sie kann kaum schlafen, wenn bei der Studhalter AG eine neue Baustelle ansteht – ich hab null Vertrauen in mich, wer bin ich denn? Ihre Traktoren nennt sie nach den Frauen, in die sie verliebt ist – die Agnes, schreibt Stefanie, hat jetzt ein neues Steuerrad und die Annemarie eine restaurierte Frontpartie.

Stefanie setzt sich in eine Kirche und weint.

Heute hat die geile Stefanie, die ihre eigene Nutte ist, den oberen Holzschopfboden betoniert, 6.8.96.

Jeden Samstag hilft sie einem Bauern, Freund alter Landmaschinen. Seine Frau, Mutter von zwei Kindern, Laura, ist jung, 26 Jahre alt. Irgendwann, allein zu Hause, beginnt sie zu weinen, ihr Mann, sagt Laura, trinke am Morgen bereits Schnaps, ganze Gläser voll, dann lege er sich ins Bett und schlafe weg, überlasse ihr das Füttern, das Melken, Misten, es sei kein Leben mehr.

Wenn ich helfen kann, helf ich gern.

12.4.97: Romy, ich muss dir etwas sagen: Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich von einer Frau geliebt. Ihre Küsse gestern waren leidenschaftlich, für mich ein neues Gefühl.

Stefanie und Laura kaufen Handys und schreiben SMS – liebster Stefan, Sepp ist heute nicht hier.

Du bist meine erste Freundin überhaupt.

Wie kommt das?, fragt Laura.

Das kommt davon, dass ich einer bin, wie ich keinen kenne.

Stefanie und Laura sitzen im Konzert von Sina, von Bonnie Tyler, Tina Turner, Céline Dion, Laura legt ihre Hand auf Stefanies.

Romy, du bist mein Schutzengel, und ich möchte der von Laura sein.

Stefanie kauft einen Hürlimann D120 und nennt ihn Martina – schliesslich steht sie heute in Wimbledon im Final.

6.7.97: Oh, Romy, ich kann nichts dafür: Ich fühle mich weiblich. Beine, Schlitz, Brüste. Romy, ich will ein scharfes Mädchen sein.

Muetti schweigt.

Ich hoffe fast, schreibt Stefanie, dass mich endlich jemand erwischt.

Sie rasiert Arme, Brust, Bauch.

Heute 14 m3 Eichenholz nach Hause geholt. Jetzt will ich nur noch eines: Strümpfe und Pumps.

Die Jauchegrube ist geschalt, Romy, ich liebe dich.

24.4.98: Morgen nach dem Besuch der Zentralschweizer Frühlingsmesse suche ich mir eine schöne Nutte. Zum ersten Mal werde ich in eine Frau eindringen. Ich ziehe den neuen grünen Body an. Bin gespannt, wie sie reagieren wird.

Es ist anders gekommen, weil ich so unerfahren bin, 25.4.98.

Ich hasse diese Welt, ich hasse mein Leben.

Im Löwen serviert jetzt eine Blondine, Aline, ein süsses Mädchen mit schönen Beinen und knackigem Po.

Der Landini ist da, ein herziges urchiges Traktorlein, das den Namen Tina bekommt, dafür werde ich den R28 in Doris umtaufen.

In Ottilia verliebt.

In Jacqueline.

Oh, Romy, es kotzt mich alles an, gib mir meinen inneren Frieden und ein Mädchen, sonst gehe ich drauf, 22. Oktober 1998.

An einem Sonntag im September 1999, als Lauras Mann ein Schwingfest besucht, sitzt Stefanie neben der Frau, die sie liebt – du hast mir viel erzählt aus deinem Leben, nun will auch ich dir etwas verraten.

In Ordnung, sagt Laura.

Ich gehe nun zur Toilette und komme wieder. Dann siehst du, was ich meine.

In der Toilette zieht Stefanie ihre Hose aus, den Pullover, steht jetzt im kurzen engen Kleid vor Laura.

Ich brauch das ab und zu, sagt sie.

Wenn du meinst, sagt Laura, wenn dir das wichtig ist.

27.9.99: Oh, Romy, seit Laura mich in Frauenkleidern kennt, ist zwischen uns grosse tiefe Liebe entstanden. Am Samstag bin ich mehr als zwei Stunden mit dem Silberbody, den Laura für mich bestellte, und den schwarzen Stiefeletten durch Basel flaniert. Es war geil.

Am 26. Dezember 1999, Stephanstag, zerstört ein Sturm Stefanies Wald, er fällt das schwere Betonkreuz, vier Meter hoch, das am Weg zum Hof steht, hundert Jahre hielt es stand, Stefanie schreit im Wind und weint – die Welt geht unter. In ihrer Maschinenhalle giesst sie ein neues Kreuz, so schön wie das alte, und stellt es an die Strasse, Ende April 2000, der Pfarrer fährt vor und segnet das Werk.

Gestern, Pfingstmontag, 12. Juni 2000, nahm mir Laura meine Jungfräulichkeit. Seit ich in Laura drin war, bin ich ein anderer Mensch, ein Mann. Jesus und Maria, ich danke euch und allen Heiligen.

Jeden Montagabend fährt Laura zu Stefanie an den Rand des Dorfes, zwei Stunden Liebe in ihrem Bett – darf ich das, mein Glied in eine Frau stecken? In die Frau, die ich liebe wie niemanden sonst.

Laura begleitet Stefanie nach Aarau, nimmt sie mit in die Umkleidekabine, Stefanie trägt Frauenhose, Frauenschuhe – Damenmode probieren ist etwas vom Schönsten.

Im Jahr 2002 wechselt sie vom Baugeschäft Studhalter zur Spanplattenfabrik Kronospan, Stefanie wird Logistiker, vier Tage Frühschicht ab fünf Uhr morgens, dann 48 Stunden Pause, vier Tage Spätschicht, erste Nachtschicht, zweite Nachtschicht. Laura verlässt ihren Mann und zieht nach R. in die Mitte des Dorfes, Stefanie wohnt bei ihr und den Kindern, baut ihr altes Haus um, zimmert und pflastert, je nach Schicht, oft bis Mitternacht und beginnt dann um fünf in der Fabrik. Sie kündigt dem Pächter, lebt wieder auf dem eigenen Hof, Laura an ihrer Seite und ein Kollege, der mit ihr die Arbeit teilt und die Maschinen – der sagt, wann gesät wird, der sagt, wann gemäht wird, wann geobstet, wann geholzt. Könnte ich mir etwas wünschen, dann den Zauberstab, den Vati erfand, schtips, schtaps, schtöps. Dann wünschte ich mir Kraft und Widerstand.

Laura pflanzt Gemüse, Stefanie arbeitet auf dem Hof, fährt, weil das Geld nicht reicht, in die Fabrik, am 15. Mai 2009 heiraten sie auf dem Standesamt T., zwei Freunde alter Landmaschinen sind Zeugen, dann reisen sie, mit Lauras Kindern, nach Wasen bei Sumiswald, feiern im Häxehüüsli.

Ab und zu kauft sie einen Traktor, neun Landini, vier Hürlimann, einen Massey Ferguson, einen Deutz. Laura sagt, vermutlich sei sie schwanger, Stefanie weint – der schönste Tag in meinem Leben.

Sie bringt Laura zum Arzt, steht neben ihr in engen bunten Kleidern. Stefan, sagt Laura, ich glaube, du übertreibst.

Am 28. April 2010 beginnen die Wehen, Stefanie fährt Laura nach N. ins Geburtshaus – es fühlt sich alles nicht richtig an. Wieso spüre ich keine Wehen, ich bekomme doch heute ein Kind? Wieso bin ich nur Zaungast, wo ich doch gebären möchte? Wer bin ich? Wer bin ich nicht?

Das Kind will nicht ans Licht, ein Krankenwagen bringt Laura und Stefanie nach Aarau ins Spital, Kaiserschnitt, Stefanie steht neben Laura und heult, Laura hält ihre Hand, sie sagt: Alles wird gut. Schliesslich sitzt Stefanie allein in einem Raum, die Hebamme bringt den Sohn und legt ihn in ihre Arme – das soll mein Kind sein? Mir ist zum Jubeln und zum Weinen.

Manchmal, wenn sie nicht in die Fabrik muss, lügt Stefanie, sie fahre zur Arbeit, zieht sich irgendwo um, stöckelt durch Zürich, Bern oder Luzern und liebt die Blicke Fremder – Laura kümmert sich um das Kind, und ich geh im Röcklein spazieren, was bin ich doch für ein Lump.

Der Kollege sagt, wann gesät wird, wann geobstet, wann geholzt – eine Memme bin ich, ein feiger Hund.

Manchmal, wenn sie von der zweiten Nachtschicht nach Hause fährt, um fünf Uhr morgens, denkt sie, wie es wäre, den Roller in einen Lastwagen zu lenken.

Stefanie wechselt vom Jodlerklub Berggruess zum Jodlerklub R., zweiter Tenor, schwarze Hose, weisses Hemd, blaue Weste, auf dem Kragen vier Margeriten und zwei Ähren.

Schtips, schtaps, schtöps, und ich habe Brüste.

Nachts sitzt Stefanie am Computer, bin mann möchte frau sein, liest von Transsexualität, von Transidentität, Transgender, Crossdressing – ich bin nicht der einzige.

Ich bin trans, ich fühle mich als Frau und kämpfe seit Jahren dagegen, kann dagegen nichts tun.

Laura ist wieder schwanger, im neunten Monat. Am 27. Februar 2013, ihrem freien Tag, begleitet Stefanie sie zur Kontrolle in N., sitzt neben ihr, als die Präsidentin des Jodlerklubs anruft, dreimal, viermal, endlich nimmt Stefanie ab, die Präsidentin weint – gut, dass du noch lebst. In der Fabrik wurde geschossen, drei Menschen sind tot, sieben verletzt.

Jesses Gott – im Sarg zu liegen, denkt Stefanie, wäre mir egal, aber nicht in den Kleidern eines Mannes.

Laura gebärt eine Tochter, 4. März 2013, wieder Kaiserschnitt.

Als Mann will ich nicht sterben.

Nach einer Probe mit den Jodlern bittet Stefanie die Präsidentin, Patin seiner Tochter, zur Seite – ich muss dir etwas sagen, was niemand weiss. Meine Laura wird, sobald sie es weiss, deine Hilfe brauchen.

Bist du krank?

Ich bin trans, ich fühle mich als Frau und kämpfe seit Jahren dagegen, kann dagegen nichts tun.

Das überrasche sie nicht wirklich, antwortet die Präsidentin, etwas Ähnliches, mit Verlaub, habe man irgendwie geahnt.

Ab und zu, wenn sie von der zweiten Nachtschicht nach Hause fährt, um fünf Uhr am Morgen, denkt sie, wie es wäre, den Roller jetzt abzustellen und sich, solange es dunkel ist, auf das Gleis der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn zu legen.

Wieder lügt Stefanie, sie gehe zur Arbeit und bindet sich Brüste um, Laura sieht sie nach Hause kommen, sie schimpft und weint – Laura, sagt Stefanie, du bist das Beste, was ich je hatte, Laura, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, es sind nicht nur die Kleider, die ich so gern trage, es ist viel mehr, ich fühle mich als Frau, Laura, ich bin eine Frau und will es sein.

Sie schweigt, fragt dann: Wie geht es mit uns weiter? Wir sind eine Familie, haben zwei Kinder.

Die Kinder, sagt Laura, dürfen nichts merken, niemand soll es wissen.

Stefanie sagt: Ich mache, was ich kann, ich weiss nicht, was ich kann.

Im Herbst 2013 sitzt sie, in Perücke und Frauenkleid, zum ersten Mal am Stammtisch des Transensyndikats, Lochergut, Zürich, sie sieht die Menschen an ihrem Tisch – bin ich tatsächlich so wie die?

Geh deinen Weg, sagt Laura.

Stefanie trennt sich vom Kollegen, der mit ihr den Hof führt, 1. Januar 2014, züchtet nun biologisch, Gemüse, Getreide, Poulets, 2500 Tiere, drei Wochen im geheizten Stall, dann sechs Wochen im Freiland, ein Dutzend Schafe.

Schichtarbeit in der Kronospan.

Den Rapport unterschreibt sie mit Stefanie.

Sie notiert: Ich bin eine Teilzeitfrau.

Stefanie ist krank, September 2014, der Arzt redet von Burn-out, Stefanie schweigt und nickt, Laura übernimmt die Buchhaltung. Kurz vor Weihnachten schreibt Stefanie einen Brief mit schwarzer Tinte, zehn Seiten lang, schickt ihn, verschlossen in grossen blauen Kuverts, den Eltern, die längst im Dorf leben, und den drei Geschwistern – liebs Muetti, lieber Vati, ich weiss sehr gut, dass ich euch mit meinem Outing viel zumute, und ich weiss, dass ich mich schon längst hätte öffnen sollen. Ich habe ganz einfach die Kraft nicht mehr, mich zu verleugnen, ich will endlich so sein, wie ich bin. Meine grösste Bitte ist, dass ihr diese Neuigkeit für euch behält, unseren Kindern zuliebe. Es soll ein Geheimnis der Familie bleiben. Und bitte stellt euch nicht die berühmte Frage: Was habe ich falsch gemacht? Ihr habt gar nichts falsch gemacht! Trans wird man nicht durch äussere Einflüsse, trans kommt man zur Welt. Ich war nie der Bub, den ihr meintet, nie ein Mann. Eine neue Tochter, eine neue Schwester möchte ich euch an Weihnachten schenken. Nun stosst auf mich an, geniesst das Fest und seid glücklich, ich will es auch sein. Mit ganz lieben Grüssen, eure Stefanie.

Noch an Heiligabend, kaum sind ihre Kinder im Bett, fährt Stefanie zu den Eltern, die Mutter sitzt in einem Sessel, zieht Stefanie zu sich und umarmt sie.

Der Abteilungsleiter – was soll der Quatsch? Du bist doch keine Frau?

Ich bin, was ich bin.

Ab und an kauft sie in der Landi Futter für ihre Hühner, die Füsse in Sandalen, die Nägel rot.

Neujahr 2016, Stefanie bleibt im Bett, weiss nicht, was sie denken soll – wenn ich auf einen Lastwagen zuhalte, morgens um fünf, sieht es wie ein Unfall aus.

Ich nehme in Kauf, alles zu verlieren, dich, unsere Kinder, den Hof, die Arbeit, die Gesellschaft, die Achtung, aber ich kann als Mann nicht mehr sein.

Am 17. Januar 2016, zusammen mit einer Transfreundin aus Zürich, sieht sie in Aarau den Film The Danish Girl, die Geschichte der dänischen Malerin Lili Elbe, die sich zu Beginn der Dreissigerjahre, um vom Mann zur Frau zu werden, einer Operation unterzog, Stefanie kann nicht mehr schlafen.

Heute bin ich im Netz auf den Blog von Beate Müller gestossen, die sich vor 9 Jahren in Thailand operieren liess. Ich habe ihr ein Mail geschickt und prompt eine Antwort erhalten. Schritt für Schritt wird sie mich in mein neues Leben begleiten, 6.2.16.

12.2.16: Am Mittwoch habe ich einen Termin beim Hausarzt, um erste medizinische Abklärungen zu treffen. Es gibt kein Zurück.

Laura und Stefanie sitzen in der Küche am Rand des Dorfes, sie weinen und schweigen. Ich nehme in Kauf, sagt Stefanie, alles zu verlieren, dich, unsere Kinder, den Hof, die Arbeit, die Gesellschaft, die Achtung, aber ich kann als Mann nicht mehr sein.

14.2.16: Heute habe ich mich, gemäss Laura, zu sehr geschminkt und bin auch noch mit schwarzen Strumpfhosen und meinem roten Parka und hellblauen Tamaris Stiefeletten zur Arbeit gegangen. Laura hatte einen halben Nervenzusammenbruch, und wir wechselten WhatsApp der Hoffnungslosigkeit.

Was geschieht mit deinen Männerschuhen?

Die zieh ich an, wenn ich mit dir ausgehe, sagt Stefanie.

Laura wirft die Schuhe zum Abfall – je schneller ich mich daran gewöhne, dass du eine Frau bist, desto besser.

Stefanie trägt schwarzen Samt, als Ende Februar Beate vorfährt – sie bringt mir Gynokadin, ein Gel, damit ich meine ersten Östrogene bekomme.

Am Freitag war die Beerdigung von Onkel Othmar, ich trug Tunika, hohe Stiefeletten (8 cm), Handtasche und Schminke inkl. Mein Brustumfang nach dem ersten Hormonzyklus beträgt halb ausgeatmet und Massband locker gezogen: 99 cm.

10.4.16: So vieles nehme ich jetzt anders wahr, sensibler, manchmal melancholischer. Gestern war ein schöner Frühlingstag. Ich spielte mit den Kindern auf dem Scheunenplatz. Und ich hatte nicht das Gefühl, gleichzeitig noch etwas erledigen zu müssen. Ich fühlte mich als Mutter, die einfach nur da ist für ihre Kinder.

Bis anhin habe ich mein Teil zwischen den Beinen mehr oder weniger akzeptiert. Neustens verliere ich aber jede Beziehung zu ihm. Ich empfinde es als etwas Fremdes, das nicht mehr dorthin gehört. Ich bin immer sicherer, dass ich es tun werde.

Frauen, sagt der Abteilungsleiter, sind in unserem Vierschichtbetrieb nicht erlaubt.

Euer Problem, sagt Stefanie.

Irgendwann kriegst du die Kündigung.

Damit rechne ich, Hauptsache, Frau.

Die Tochter, drei Jahre alt, sagt: Dann bist du halt mein Reservemami.

Der Sohn, sechs, fragt Laura: Wieso muss das sein, dass Papi eine Frau ist? Geht es nicht anders?

29.5.16: Die Hormonwerte, nach meinem Zyklus in der Follikelphase, entsprechen absolut den Werten einer Bio-Frau. Am glücklichsten macht mich, dass mein Testosteronwert mit 1,0 (Referenzwert 0,5–3,5) ohne Testosteronblocker im unteren Bereich des normalen weiblichen Spiegels liegt. Ich habe eine Grundzufriedenheit, wie ich sie zuletzt als Kind hatte.

31.7.16: Vielleicht sollte ich doch Schluss machen. Aus dem Fenster springen? Unter den Zug? Ins Wasser? Was wird aus meinen Kindern? Was aus Laura? Ich weiss nicht mehr weiter.

Ich werde immer trauriger, sagt Laura, und du wirst immer schöner.

In der Fabrik reibt sich einer mit beiden Händen die Brust – muss geil sein, wenn man plötzlich Titten hat.

Stefanie, sagt die Präsidentin des Jodlerklubs, fünf Mitglieder sagen, entweder du oder sie.

Die Oberschenkel haben etwas Fett angesetzt und sehen in Strümpfen viel weicher und weiblicher aus.

Ab und zu legt Stefanie eine Platte auf, Die Moldau von Smetana – ich werde für Laura immer befremdlicher. Ich weiss nicht, ob wir es schaffen.

Gestern war ein schöner Herbsttag. Ich habe mit Laura Kartoffeln ausgegraben, wir hatten einen harmonischen Tag unter Frauen. Es folgte die hellste Vollmondnacht seit langem. Wir lagen zwar müde im Bett und genossen die Nacht trotzdem in lesbischer Weise.

14.11.16: Brustumfang genau 100 cm.

Sehr geehrte Damen und Herren, aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht ist es dringend angezeigt, dass der amtlich eingetragene Personenstand von Frau Stefanie L., 25.11.1969, dem weiblichen Identitätsgeschlecht angeglichen wird. Um den psychischen Gesundheitszustand zu erhalten, psychische Krisen und Diskriminierungsprozesse zu verhindern bzw. die psychischen Risiken des Angleichungsprozesses zu minimieren, ist so rasch wie möglich eine Übereinstimmung zwischen der gelebten/gefühlten Geschlechtszugehörigkeit und dem amtlich eingetragenen Personenstand herzustellen, da dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg ihrer sozialen und juristischen Anerkennung als Frau und für ein Leben entsprechend ihrer Identität darstellt. Mit freundlichen Grüssen, Medizinische Fachstelle für Transgenderpersonen, Luzern, 20. November 2016.

Laura schläft im Nähzimmer.

Stefanie bietet einem Bekannten ihren Landini Bufalo an – ich brauche Geld für die Anzahlung an die OP.

Bezirksgericht V., das Gesuch vom 2. Dezember 2016 wird gutgeheissen, und es wird festgestellt, dass der Gesuchsteller weiblichen Geschlechts ist.

Stefanie, Perücke, Rock, Pumps, besucht das Jodlerkonzert im Dorf, Ende März 2017. In ihr Tagebuch schreibt sie, sie sei überzeugt, die erste Transjodlerin der Schweiz zu werden, ich fordere den Bertschi Franz zum Tanz auf. Mir ist so wohl. Sollen die Leute denken, was sie wollen.

Laura sagt, sie wisse nicht, ob sie den Rest ihres Lebens ohne Mann sein könne.

Stefanie setzt sich in eine Kirche, wartet und schweigt, zündet eine Kerze an.

Ich könnte es verstehen, sagt Stefanie, wenn du dich irgendwann in einen Mann verliebtest. So weh es mir täte.

28.7.17: Jeden Tag Regen. Der Hafer ist zerschlagen, der Weizen schwarz. Hermann will den Bufalo nicht, alles ist Scheisse.

Ob sie eine eigene Toilette brauche, fragt der Personalchef in der Fabrik.

Ende August 2017, im Dirndl ohne Schürze, rattert Stefanie auf ihrem Landini Bufalo ans Oldtimerfest nach Möriken-Wildegg, viele erkennen sie nicht, einer, als er endlich weiss, wer sie ist, schimpft: Jetzt hast du uns aber arg verarscht.

Zwanzig Jahre lang habe ich euch verarscht, sagt Stefanie, aber nicht jetzt.

Gestern spielte die Kleine mit dem Baby Born. Ich sass mit ihr auf dem Sofa, und auf einmal reichte sie mir die Säuglingspuppe und sprach: Mama – mämäm trinke. Dann hielt sie mir die Puppe gegen meine Brust. Ich hob mein T-Shirt, setzte die Puppe an und stillte sie. Ich fand es weder komisch noch albern, im Gegenteil, es fiel mir schwer, die Puppe wieder von der Brust zu nehmen. Mich überkam Wehmut, im Bewusstsein, in der falschen biologischen Rolle meine Kinder bekommen zu haben. Wortlos nahm ich meine Tochter in die Arme und drückte sie an mich.

Die halbe Nacht geweint – Tod oder Frau.

Neugeboren am 29. November 2018 in The Suporn Clinic, Sex Reassignment Surgery, Chonburi, Thailand: Stefanie L. – 49 Jahre zu spät.

Alle Namen geändert, ausser der von Stefanie.