In Zeiten von Unsicherheiten

Bericht GWHF / Daniela Cross, 29.10.2020

 

Überall und tagtäglich sind wir betroffen – die Pandemie führt mit starker Hand, beeinflusst mehr als gewohnt alle Lebensfacetten. Auch deshalb – so meine Annahme – liegt es Monate her, seit hier im Forum der GWHF-Girls ein Erlebnisbericht ins Netz gestellt wurde. Ich lese die Berichte immer gern und sehr aufmerksam. Da fühle ich mich oft verstanden und es führt vor die Augen, dass ich mit all meinen Themen rund um mein Frausein nicht allein bin. Es hilft zu verstehen – es gibt Einblicke in andere Lebensgeschichten – ich schätze soche Reflektionen.
Die Mädels haben sich im Rahmen der Möglichkeiten und Einschränkungen zwar getroffen, mit weniger Teilnehmenden, und ich kann mir gut vorstellen, dass damit auch die Lust sich zu präsentieren, sich mitzuteilen und aus dem Leben zu berichten, verständlich kleiner geworden ist.

Und doch – sind es nicht gerade auch diese Berichte, die solche Foren lebendig halten und sich neuen Interessierten erschliessen? Dank eines solchen Berichtes habe auch ich nach Wangen gefunden. Deshalb schreibe ich jetzt ein weiteres mal – nach 8 Monaten Unterbruch – jetzt aber etwas aus dem Leben seit März – ein Lebenszeichen in der Zeit der Pandemie.

Keine Sorge – ich werde bewusst kein politisches Statement abgeben und schon gar nicht all die Massnahmen gegen den Virus kommentieren. So lange Hochbetitelte, Promovierte und Gesundheitsfachleute dermassen kontrovers die Lage beurteilen, werde ich mir nicht anmassen, mein Unwissen auch als Wissen einzubringen.

Erst schleichend ab dem neuen Jahr, dann abrupt hat meine Bewegungsfreiheit ein Korsett bekommen, auch ich musste mich an neuen Leitplanken orientieren. Ab und zu hat mir das den Atem genommen – die Vorstellung was alles sein könnte, war oft unerträglich. Ja, geweint habe ich auch, leise nach innen, mehr als einmal. Aber immer besser konnte ich das Korsett als leichtes Kleid annehemen – ab und wann habe ich das verordnete Korsett auch touchiert, gedehnt, ganz selten jedoch ausgezogen. Mental – ein auf und ab – Kopf und Herz oft nicht zusammen – so habe ich mich dann zurück genommen, zwei Gänge zurück geschaltet, wie man so sagt.

Und doch ist es mir dann gelungen, einen guten Weg zu finden. Eher mehr als gewohnt bin ich en femme raus – in Landschaften und in Städte, an Seen und Plätze. Jetzt halt vermehrt allein – ich habe nicht mehr zu Treffen abgemacht – ich bin einfach für mich los und habe so auch ganz viel für mein psychisches Wohlbefinden tun können.

Und es geht auch in diesen Zeiten. Meine Touren habe ich ausgedehnt und konnte so viele sonnige Momente und Tage erleben. Meine Bilder zeigen das – im Blumenkleidchen in Thun an der Aare und im Lederjupe in einer meiner Ausgangsmeilen in Zürich – das alles in der Zeit der Pandemie, eingeschränkt zwar aber halt en femme.

Das sich zurück nehmen habe ich rückblickend als positiv erlebt – sich etwas mehr zu erden, nicht jedem Anlass und Ausverkauf hinterher zu stöckeln – die Feierabendapéros auszulassen oder dann nur mit mir allein anzustossen – lieber in Museen anderen Interessen nachzugehen, und und. Wieso nicht wieder mal die Staffelei aus dem Keller holen? Analoge Fotographie – einst ein grosses Thema das mich sehr fasziniert hat – ist wieder auf dem Tisch – zumindest meine Kamera.
Auf jeden Fall habe ich etwas ausgemistet – mich von ein paar unnützlichen Dingen verabschiedet. Selbst aus zwei Chatforen habe ich mich abgeseilt. Das ist eine gute Erfahrung – und schenkt viel Zeit für anderes.
Es hat auch geholfen, die Eigenwahrnehmung zu hinterfragen, zu schärfen und zu korrigieren. Die Eigensicht und die Sicht von anderen sind oft ja nicht im Einklang – darum schadet es nicht, in den eigenen Spiegel zu schauen (nicht nur beim Auftrag des Lidschattens).
Trotz Korsett – ich fühle mich heute wieder freier – kann ich mit all den Massnahmen selbstverständlicher umgehen. Selbst die Maske vor den gefärbten Lippen mindert das Vergnügen wenig.

Und – ich habe eine neue Erkenntnis gewonnen. Diese möchte ich jetzt vor allem jenen Mädels erzählen, die sich per se nicht getrauen, sich hübsch zu machen und nach Draussen zu gehen.

Die Maske maskiert – die Maske nimmt dem Gesicht die letzten männlichen Attribute, schleift kantige Kins weg und deckt Nasen ab. Niemand, aber auch niemand wird euch erkennen – ich habe das bewusst auf die Probe gestellt. Unter Menschen die mich gut kennen habe ich mich begeben, Augenkontakte sind geflossen, Männerblicke habe ich höchstens an meinen Beinen und knapp darüber gespürt – keine fragenden Blicke, keine erstaunten Gesichter. Von der Cousine bis zu Arbeitskollegen – ich habe das Experimentierfeld breit abgesteckt.
Es funktioniert! Mir hat auch eine Freundin berichtet, die jetzt das erste mal mit Maske in einen Schuhladen ging, dass das prima gelaufen ist. Ich habe mich für die Lady richtig gefreut.
Also Mädels – jetzt geht raus – gönnt euch diese neue Freiheit. Ihr werdet vor Freude singen, eure Augen werden strahlen, wässrig vor berührender Glückseligkeit.
Und Morgen, im nächsten Jahr? Ich kann nicht Kaffeesatz lesen – und wenn ich es könnte, ich weiss nicht, ob ich alles schon jetzt wissen möchte. Volatil ist das Leben auch ohne die Pandemie geworden. Mit Unsicherheiten müssen wir leben lernen. Mit immer komplexeren Zusammenhängen, die wir oft nicht auf Anhieb wenn überhaupt verstehen, umgehen können – das wird uns in Zukunft begleiten und kaum mehr loslassen. Anspruchsvoll – aber auch spannend!

Um so mehr ist es wichtig – für mich – mein Leben glücklich zu leben – jetzt und hier – nicht irgendwann und irgendwo. Etwas mehr analog, weniger digital – oder real und nicht virtuell.

Geht auf die Strasse Frauen – beansprucht Raum und Zeit für euch – es hat Platz für uns!

Bleibt gesund – herzlich, Daniela